12. März 2009

Rundmail 1 - Ankommen, Staunen

Norge, Norge,
Blauend empor aus dem graugrünen Meer,
Inseln ringsum gleich Vogeljungen,
Fjorde in Zungen

Dorthin, wo Stille sich breitet umher.
Ströme, Täler;
Felsen begleiten sie; Waldgipfel fern
Ragen dahinter. Wo Tore sie brechen,
Seen und Flächen,
Feiertagsfrieden und Tempel des Herrn.

Norge, Norge,
Hütten und Häuser und keine Burgen,
Hart oder weich,
Du bist unser, bist unser Reich,


Bjørnstjerne Bjørnson


Liebe Leute,

wir sind in Tromsö. rund 350km nördlich des Polarkreises. Nachdem wir Montag mitten in der Nacht gelandet waren und von der Umgebung nicht viel mitbekamen, war das Erstaunen beim Erwachen am nächsten Tag umso größer: wir sind auf einer Insel und um uns herum sind lauter schneebedeckte Berge.

Eine wirklich eindrucksvolle Kombination. Und Schnee hat Tromsö auch zur Genüge, zwar laut Kristin, die uns gemeinsam mit Klaus vom Flughafen abgeholt hatte, dieses Jahr "noch nicht so viel", aber für Straßen mit nahezu ausschließlich geschlossener Schnee/Eisdecke und Schneeberge um die zwei Meter am Wegesrand genügt es wohl.

Die Norweger nehmens mit einem Schulterzucken hin und wir stacksen wie Ballett-Tänzer über die meist nicht geräumten Gehsteige, wobei Räumen wahrscheinlich auch eine reine Sisyphos-Arbeit ist, wenn's am nächsten Tag wieder zugeschneit oder neu vereist ist und deswegen lassen sie's gleich ganz und kaufen sich Spikes zum an die Schuhe klemmen. Der Informatiker nennt sowas wohl workaround.

Das alles ist auch nur Nebensache und wird von der allgegenwärtigen unglaublichen Panorama-Rundumsicht relativiert, die sich in ihrer Direktheit gar nicht in Bildern fassen lässt. Hinzu kommt das vielfältige Farbspiel der Sonne, die nie richtig hochsteigt, sondern immer flach über den Bergen bleibt und einen eigenartigen bläulichen Schimmer mit sich trägt, der die Landschaft in dieses typische nordische Licht taucht.

Soviel zum Rumphilosophieren, nun schnell noch ein paar schnöde Fakten: wir wohnen in Mortensnes (GMaps), einem kleinen Stadtteil abseits des Stadtkernes nahe des Flughafens, in einer (Studenten-)Wohnsiedlung aus lauter dunkelrot lakierten Holzhäusern mit weißen Fensterrahmen; das Zimmer wirkt dank sehr viel Stauraum und großem Schrank für seine 12,5m² deutlich größer, es gibt Schreibtisch, Bett, Tisch, zwei Stühle, also alles was der lernwillige Student so braucht. Unbezahlbar (wie eigentlich alles hier oben) ist der Blick aus dem Fenster (siehe Ausführungen oben), die große Gemeinschaftsküche für die Acht Gangbewohner und das extra Abstellzimmer für Sportgeräte.

In die Stadt läuft man von hier in straffen 50min, dafür gibt's auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen großen Supermarkt und Hardware-Store (der von Auto- über Fahrrad- über Schiffs- über Wander- über Computer- alles erdenkliche an -Zubehör hat) und eine Bushaltestelle in 5min Reichweite. Die Uni, eine sehr moderne Campus-Universtität mit etwas abgefahrenen Fachbereichen wie "Master of Science in Fisheries and Aquaculture Management and Economics" und Rentierzucht aber eben auch Norwegen-typisch pazifistischen internationalen Dingen wie "Master in Human Rights Practice", liegt auch in guter Reichweite.

Zu viel mehr sind wir noch nicht gekommen, dafür konnten wir heute in Ruhe zum ersten Mal das Norwegische Bier von der direkt in Tromsö ansässigen Mack-Brauerei ausprobieren, die 1887 von dem aus Bayern (wo sonst) stammenden Ludwig Mack gegründet wurde und mit bayerischem Hopfen (kein Scherz) nach deutschem Reinheitsgebot braut. Im Gegensatz zu gestern haben wir es geschafft, vor 18 Uhr im Supermarkt zu sein - bevor sich die Vorhänge vor den Alkohol enthaltenden Kühlregalen schließen, wie es die königliche Anordnung gebietet.

Ansonsten bereiten wir uns auf unsere Expedition richtung Nordpol nach Spitzbergen vor, nach einem Ausflug ins Polaria wissen wir nicht nur, wie man sich vor Eisbären schütz (gar nicht), sondern auch wie man einen Eisbrecher lenkt.

Falls wir lebend aus dem Ewigen Eis zurückkehren sollten, melden wir uns wieder,
bis dahin liebe Grüße aus dem Paris des Nordens... (also halt ohne Eiffelturm, aber dafür viel mehr Schnee),

Wiebke und Philipp


PS1: Scheiße kalt hier findet Wiebke und manchmal Philipp auch.
PS2: Geht bloß nicht in "Watchmen" - haben je 12 Ocken dafür rausgehauen, pseudo-intellektueller Bullshit.

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