21. März 2009

Rundmail 2 - Schneeeeee

Schnee, der; -s [mhd. snē, ahd. snēo, altes idg. Wort, vgl. z. B. russ. sneg]
Niederschlag aus kleinen Eiskristallen, meist sternförmig verzweigt.

Schnee fällt bei Temperaturen um 0 °C; es entstehen sechseckige Eisplättchen oder Schneesterne; durch Zusammenschluss zahlreicher Einzelkristalle bilden sich Schneeflocken. Schnee ist ständigen Veränderungen durch klimatische Einflüsse unterworfen.

Unterschieden werden Trockenschneearten und Nassschneearten. Trockenschneearten sind Pulverschnee (nadelartige Kristalle, fällt bei Frost), windgepresster und Mehlschnee (feiner, dichter, abgelagerter Pulverschnee mit zerriebenen Kristallen), Grießschnee (älterer Pulverschnee mit abgeschmolzenen Kristallspitzen), Raureif/Raufrost (bei hoher Luftfeuchtigkeit in flachen Kristallen wachsender fester Niederschlag), Harsch (durch mehrfaches Tauen und Gefrieren entstandener grobkörniger Schnee). Nassschneearten sind Pappschnee (nasser, feinkörniger Schnee), nasser Grießschnee, nasser Raureif und Firn (abgerundete Harschkörner).

Weiterführende Literatur

F. Wilhelm: Schnee- u. Gletscherkunde (1975)
P. u. V. P. Singh: Snow and glacier hydrology (Dordrecht u. a. 2001)


Liebe Leute,

da die Mehrheit der werten Leserschaft deutlich weiter südlich lebt, als wir uns gerade befinden, und daher vielleicht das im Folgende beschriebene Phänomen nicht so genau kennt, beginnt diese zweite Rundmail mit einer schnöden Begriffsdefinition. Vielleicht auch, um etwas von dem Gefühl zu vermitteln, dass uns die letzten Tage erfüllte, denn auch wir konnten, durften, oder gar mussten den Begriff "Schnee" hier neu definieren. Vielleicht fehlt auch in obigem Text, entnommen aus dem renommierten Meyers Lexikon [1], die Spezifizierung "Troms Schnee" oder "Schnee in Nordnorwegen":

Troms Schnee, der; -s; Unmengen von weißer Masse, die sich überall ansammelt.
Schnee fällt fast immer und in Massen, es entstehen riesige Schneehaufen bis 4m neben der Straße und im Besonderen an Straßenecken; durch Zusammenschluss von Millionen Schneeflocken Verlust der sog. Fernsicht, ebenso geschlossene Schneedecke auf allen geologischen und anthropogenen Bodenformen.
Unterschieden werden viel Schneefall (keine Sicht), mittelviel Schneefall (kaum Sicht) und normaler Schneefall (etwas Sicht). Erstaunlicherweise hat diese Klassifizierung keinerlei Einfluss auf die Alltagsgestaltung des Nordnorwegers.

Siehe auch:
-, der auf Zedern fällt; Fräulein Smillas Gespür für -; -flöckchen Weißröckchen; Snow (us-am. HipHop-Künstler, siehe [2]),


Das vergangene Wochenende konnten wir bei Klaus und Kristin auf ihrem wunderschönen Bauernhof in Tonsasen [3] mit traditionell norwegischen Dingen wie Snowboarden (siehe Bild 1, Hinweg), Schafe hüten sowie Schafmaniküre (siehe Bild 2), Kochen und Bier trinken verbringen. Das Leben auf diesem Bauernhof, wobei "Bauernhof" fast etwas übertrieben ist für ein tolles Holzhaus mit einem kleinen Stall und Wiesen direkt am Fjord mit Blick auf die umliegenden Berge ist (siehe Bild 3, Stall und Fjord), also das Leben in dieser Idylle ist unserem ersten Eindruck nach mit seiner Kombination aus "think global, act local" eine der möglichen nahezu perfekten Lebensentwürfe der heutigen Welt.

Fast ungern verließen wir am folgenden Montag Tonsasen mit der glorreichen Idee, die 12km zur nächsten Bushaltestelle zu Fuß zu gehen. Bei diesem Gewaltmarsch ging es dann los, das weiße Chaos. Natürlich mit angemessener Dramaturgie, also zuerst ein paar harmlose Windböhen, die sich zu einem kontinuierlichen Stürmen weiter entwickelten, so dass mit dem später einsetzenden Nieselregen das "Wandern" gar nicht mal mehr so spaßig wurde. Dafür wurde unsere Quälerei mit eindrucksvollem Lichtspiel der Fjord-Landschaft belohnt. Den uns bei inzwischen einsetzendem Schneetreiben entgegenkommenden Jogger (mit Leuchtweste!) versuchten wir zu ignorieren und freuten uns minütlich mehr über die Erfindung von Gore-Tex [4,5] (siehe Bild 4, Ausgestattet im Wind)

Unsere diverse sog. Funktionskleidung musste seitdem einen Härtetest nach dem anderen durchstehen, denn bisher hat es nicht mehr aufgehört zu schneien (siehe Bild 5, vor dem Wohnheim). Die Schneedecke über dem Asphalt (wir vermuten zumindest, dass sich darunter Asphalt befindet) wird immer dicker (siehe Bild 7, auf einer Hauptstraße), die Schneehaufen immer höher und das Piepen der Schneeräumemaschinen vom benachbarten Flughafen nehmen wir schon nicht mehr wahr.

Unsere Lösung: wir flüchten uns in Museen, füttern dort ausgestopfte Hunde mit Schokolade (siehe Bild 8), fesseln freche Frauen in Kirchen (sic! Bild 9) und bauen behagliche Schneehöhlen (siehe Bild 6, Wiebke übt das Verstecken vor Eisbären für Spitzbergen)

So, jetzt müssen wir für Spitzbergen packen, schließlich erwarten uns dort morgen entspannte -17°C [6] und wir müssen noch ausprobieren, wie viele lange Unterhosen man übereinander ziehen kann.

Wir hoffen, Euch geht es allen gut und Ihr genießt den aufkeimenden Frühling (Neid? Eigentlich nicht!),

liebe Grüße aus dem Norden,

Wiebke und Philipp

12. März 2009

Rundmail 1 - Ankommen, Staunen

Norge, Norge,
Blauend empor aus dem graugrünen Meer,
Inseln ringsum gleich Vogeljungen,
Fjorde in Zungen

Dorthin, wo Stille sich breitet umher.
Ströme, Täler;
Felsen begleiten sie; Waldgipfel fern
Ragen dahinter. Wo Tore sie brechen,
Seen und Flächen,
Feiertagsfrieden und Tempel des Herrn.

Norge, Norge,
Hütten und Häuser und keine Burgen,
Hart oder weich,
Du bist unser, bist unser Reich,


Bjørnstjerne Bjørnson


Liebe Leute,

wir sind in Tromsö. rund 350km nördlich des Polarkreises. Nachdem wir Montag mitten in der Nacht gelandet waren und von der Umgebung nicht viel mitbekamen, war das Erstaunen beim Erwachen am nächsten Tag umso größer: wir sind auf einer Insel und um uns herum sind lauter schneebedeckte Berge.

Eine wirklich eindrucksvolle Kombination. Und Schnee hat Tromsö auch zur Genüge, zwar laut Kristin, die uns gemeinsam mit Klaus vom Flughafen abgeholt hatte, dieses Jahr "noch nicht so viel", aber für Straßen mit nahezu ausschließlich geschlossener Schnee/Eisdecke und Schneeberge um die zwei Meter am Wegesrand genügt es wohl.

Die Norweger nehmens mit einem Schulterzucken hin und wir stacksen wie Ballett-Tänzer über die meist nicht geräumten Gehsteige, wobei Räumen wahrscheinlich auch eine reine Sisyphos-Arbeit ist, wenn's am nächsten Tag wieder zugeschneit oder neu vereist ist und deswegen lassen sie's gleich ganz und kaufen sich Spikes zum an die Schuhe klemmen. Der Informatiker nennt sowas wohl workaround.

Das alles ist auch nur Nebensache und wird von der allgegenwärtigen unglaublichen Panorama-Rundumsicht relativiert, die sich in ihrer Direktheit gar nicht in Bildern fassen lässt. Hinzu kommt das vielfältige Farbspiel der Sonne, die nie richtig hochsteigt, sondern immer flach über den Bergen bleibt und einen eigenartigen bläulichen Schimmer mit sich trägt, der die Landschaft in dieses typische nordische Licht taucht.

Soviel zum Rumphilosophieren, nun schnell noch ein paar schnöde Fakten: wir wohnen in Mortensnes (GMaps), einem kleinen Stadtteil abseits des Stadtkernes nahe des Flughafens, in einer (Studenten-)Wohnsiedlung aus lauter dunkelrot lakierten Holzhäusern mit weißen Fensterrahmen; das Zimmer wirkt dank sehr viel Stauraum und großem Schrank für seine 12,5m² deutlich größer, es gibt Schreibtisch, Bett, Tisch, zwei Stühle, also alles was der lernwillige Student so braucht. Unbezahlbar (wie eigentlich alles hier oben) ist der Blick aus dem Fenster (siehe Ausführungen oben), die große Gemeinschaftsküche für die Acht Gangbewohner und das extra Abstellzimmer für Sportgeräte.

In die Stadt läuft man von hier in straffen 50min, dafür gibt's auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen großen Supermarkt und Hardware-Store (der von Auto- über Fahrrad- über Schiffs- über Wander- über Computer- alles erdenkliche an -Zubehör hat) und eine Bushaltestelle in 5min Reichweite. Die Uni, eine sehr moderne Campus-Universtität mit etwas abgefahrenen Fachbereichen wie "Master of Science in Fisheries and Aquaculture Management and Economics" und Rentierzucht aber eben auch Norwegen-typisch pazifistischen internationalen Dingen wie "Master in Human Rights Practice", liegt auch in guter Reichweite.

Zu viel mehr sind wir noch nicht gekommen, dafür konnten wir heute in Ruhe zum ersten Mal das Norwegische Bier von der direkt in Tromsö ansässigen Mack-Brauerei ausprobieren, die 1887 von dem aus Bayern (wo sonst) stammenden Ludwig Mack gegründet wurde und mit bayerischem Hopfen (kein Scherz) nach deutschem Reinheitsgebot braut. Im Gegensatz zu gestern haben wir es geschafft, vor 18 Uhr im Supermarkt zu sein - bevor sich die Vorhänge vor den Alkohol enthaltenden Kühlregalen schließen, wie es die königliche Anordnung gebietet.

Ansonsten bereiten wir uns auf unsere Expedition richtung Nordpol nach Spitzbergen vor, nach einem Ausflug ins Polaria wissen wir nicht nur, wie man sich vor Eisbären schütz (gar nicht), sondern auch wie man einen Eisbrecher lenkt.

Falls wir lebend aus dem Ewigen Eis zurückkehren sollten, melden wir uns wieder,
bis dahin liebe Grüße aus dem Paris des Nordens... (also halt ohne Eiffelturm, aber dafür viel mehr Schnee),

Wiebke und Philipp


PS1: Scheiße kalt hier findet Wiebke und manchmal Philipp auch.
PS2: Geht bloß nicht in "Watchmen" - haben je 12 Ocken dafür rausgehauen, pseudo-intellektueller Bullshit.

3. März 2009

Tromsø

Liebe Leute,

ab jetzt berichtet Zeitlupe von Tromsø. Hier finden sich nun nicht nur meine Rundmails, sondern vor allem Fotos, Erlebnisse und andere Eintraege von meinem Leben im hohen Norden.
Kommentare erwuenscht.

Philipp